Das wachsame Hähnchen
Das wachsame Hähnchen

Die Geschichte des "Wachsamen Hähnchen"

 

Als Essen noch eine kleine Stadt war mit hölzernen Häusern und verwinkelten Gassen, als es noch keine Straßenbeleuchtung innerhalb der Stadtmauern gab, da drohten ständig Gefahren: überraschende Feuerbrünste konnten verheerende Auswirkungen haben und nachts war man vor Überfällen räuberischer Banden nie sicher. Zu ihrem Schutze hatten die Essener Bürger mancherlei Vorkehrungen getroffen. So gab es den Nachtwächter, der mit einem Helm, einer Hellebarde, einer Laterne und einem Horn bewaffnet war.

Auf die stets drohende Feuergefahr hatte besonders der Turmwächter auf der Marktkirche zu achten. Wenn ein Brand ausgebrochen war, musste er die Brandglocke ziehen und außerdem in die entsprechende Himmelsrichtung eine Laterne hinaushängen, damit jedermann wusste, wo er sich zu wenden hatte. Denn alle Bürger waren in diesen Fällen zur Hilfeleistung verpflichtet.

Es war an einem heißen Sommertag, als ganz Essen die Hochzeit der Tochter des Bürgermeisters feierte. Nach der Trauungszeremonie hatte man sich vor der Toren der Stadt zusammen gefunden, um dort auf den Wiesen den Tag mit Spiel und Tanz zu verbringen. Am Abend als die Stadttore geschlossen wurden, feierte man in den Schenkstuben weiter, und erst am frühen Morgen begaben sich die letzten Zecher zu Bett.

Zu diesen gehörten auch der Nachtwächter und der Turmbläser, die selbstverständlich an den Feierlichkeiten teilgenommen hatten. Was sollte auch passieren in dieser warmen Jahreszeit, in der kein Kamin mehr brannte und alle Herdfeuer und Kerzen gelöscht waren? Doch eine andere Gefahr zog bereits vor den Stadtmauern auf. Leise huschte eine Räuberbande heran, die einen Überfall geplant hatte und die Gelegenheit nach der Hochzeitsfeier als günstig ansah. Aufmerksame Wachen hätten sie entdecken können.

Sie hatten ein langes Seil mit Widerhaken mitgebracht, das sie nun über die Mauer warfen und an dem sie sich hochziehen wollten. Mit leisem Knirschen rastete der Haken in die Mauernische ein. Niemand innerhalb der Stadt vernahm das Geräusch. Niemand? Doch da war jemand, der schon zu so früher Morgenstunde auf den Beinen war und darauf wartete, mit seinem lärmenden Tagewerk zu beginnen: es war ein Hahn. Aufgeschreckt durch die unerwarteten fremden Geräusche meinte er, die ersten Sonnenstrahlen nicht abwarten zu sollen und mit einem lautem "Kikerikiii .....!" machte er seine Empörung über die morgendliche Störung Luft. Und noch einmal "Kikerikiii ....!"

Gewohnt beim ersten Hahnenschrei aufzustehen begaben sich nun viele Bürger aus den Betten und es dauerte nicht lange, bis die Räuber die bereits die Stadtmauer erklommen hatten, entdeckt waren. Eilends ließ man die Glocken läuten, die Schützen griffen zu den Waffen und mutig machte man sich daran die Räuber zu vertreiben. Als diese sahen, dass sie bemerkt worden waren und mit ernsthaften Widerstand zu rechnen hatten, da ließen sie sich schnell wieder an ihrem Seil hinab und flohen, so schnell die Beine sie trugen.

Die Essener sahen aber allen Grund, ihr Abenteuer damit zu beenden, dass sie die Feier des Vortages fröhlich fortsetzten. Ihren Retter, den Hahn, vergaßen sie jedoch nicht. Zeit seines Lebens genoss er jegliche Freiheit.

 

Später setzten die Essener Schützen ihrem "wachsamen Hähnchen" sogar ein Denkmal, das heute seinen Standort auf dem Kurienplatz (zwischen dem Kardinal-Hengsbach-Platz und dem Kennedyplatz) gefunden hat. Auch ein Schützenlied lässt die Erinnerung an das "wachsame Hähnchen" fortleben. Der ehemalige Musikdirektor der Stadt Essen, Max Fiedler, hat es in der von ihm 1931 komponierten Ouvertüre "Essen" verarbeitet:

"Wer kaufet, wer kaufet
ein wachsames Hähnchen?
Es ist ja so lieblich,
so weiß wie ein Schwänchen.
Wer kaufet einen wachsamen Hahn?"